Etappe 14: Stanserhorn-Telliegg


Aufgrund des schlechten Wetters verschieben wir die Tour auf Samstag 5. August 2017. Auch teilen wir die Tour auf und marschieren, um unsere Knie zu schonen, statt hinunter hinauf: hoch auf das Horn. Treffpunkt: 6.30 Uhr beim "Chabisstei" Ennetmoos.

Geplante Route: Stanserhorn-Dürregg-Bründli-Hostett-Chabisstein-Cholwald-Muoterschwandenberg- Hinterberg-Telliegg (Boot)

Neue Route: Chabisstein-Hostett-Bründli-Dürregg-Stanserhorn

Höhenmeter: 1300 aufwärts
Distanz: 14 km
Marschzeit: 3.5 Std
Schwierigkeit: T4 

 
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Wir stehen nun an der 14 Etappe, im Kopf haben wir bereits mannigfaltige Bilder, Gedanken und Erinnerungen an die bereits erlebten Touren und in den Beinen einige Kilometer Wander- und Bergwege, etliche überwundene Stufen, sei es hinauf oder hinunter.

Eine Etappe in drei Unteretappen, ja warum wohl? Für Sonntag haben wir geplant, vom Stanserhorn zum Alpnachersee zu wandern. 1400 Höhenmeter sehr steil hinunter. Das Sonntagswetter soll nicht sehr vielversprechend sein, Regenwolken diesen Tag zieren. Aber am Samstag: Sonnenstrahlen. So wählen wir den Samstag, und da mein Knie langsam etwas Ermüdung zeigt und grundsätzlich wohl das Hinunterlaufen nicht ebenso gesund ist wie das Hinaufsteigen, teilen wir die Tour auf. Der Start soll beim "Chabisstei" sein. Ein grosser "Chemp" in St. Jakob, der die Unterwaldner geografisch trennt. Von dort soll es hoch gehen zum Stanserhorngipfel über das Brünnliegg.

Am Sonntag dann die Waldwanderung vom "Chabisstei "durch den Cholwald zum Alpnachersee. Da mag es "hudlen", wie es will: Wald und Regen lösen eine besondere Anziehung aus. Und dann ist da noch der See, den es zu überqueren gilt, hinüber zum Lopper-Telliegg. Es spienzelt uns schon jetzt auf der anderen Seeseite entgegen. Am Montagabend steigen wir in den See, um diesem Grenzpunkt entgegen zu schwimmen.

Gespannt starten wir am Chabisstei. Der Noldi holt sich noch zwei Haselstöcke aus dem Wald, um dann beim Hochsteigen besonderen Antrieb zu bekommen und das Gleichgewicht im Lot zu behalten. Das ist kein schlechter Gedanke. Denn steil ist diese Etappe wirklich. Im unteren Teil vom Rütimattli bis zur Hinteren Laui wähnt es uns mehr im Urwald als im Stanserwald, der Weg ist schwierig zu finden, die Äste und Kräuter streichen uns um die Körper. Wir müssen uns ducken, und dann kriechen wir etwas und bald balancieren über die Steine.

Nach dem Einstieg zum Brünnliegg steigt der Weg im dichten Wald stark an. Das Wegschild "Panoramaweg" erscheint uns leicht ironisch. Doch weit gefehlt. Das Brünnliegg hat es in sich. Eine herrliche Waldlichtung, geziert von einigen Föhren, eröffnet uns ein überwältigendes Panorama in das Obwaldnerland, auch auf die Grenzgipfel gegen Süden.

Fast schon ein Wiler ist das Brünnliegg und wir lassen uns gerne kurz nieder auf dem luftigen Ansitz vor dem Hüttli. Sebastian holt seine Trinkflasche hervor und erzählt, wie er schon mal hier gesessen hat. Während seiner Jagdausbildung, auf der "Jagdbegleitung Hochwildjagd" habe Peter ihm diesen Platz gezeigt. Er sei schon damals sehr ergriffen gewesen von diesem Ort und sie hätten im Graben einige Gämsen gesehen. Auch heute sehen wir eine Gämse durch den Brünnligraben ziehen. Gämsen haben uns auf der ganzen Grenztour immer wieder begleitete. Mal haben wir sie rudelweise entdeckt mal nur eines alleine. Die Frage von Noldi, warum denn diese Gämse alleine unterwegs sei, löst bei den Jägern, die uns auf der heutigen Tour begleiten, ein reges Gespräch aus. Sofort spürt man das Feuer der Jäger, des jungen und des alten. Beide sind im Element beim Erzählen über die Jagd.

In solchen Momenten spüre ich dann immer die gleiche Reaktion, eine Mischung aus Verwunderung und Abneigung, dazu gleichzeitig Bewunderung und Interesse: Es gibt so viele Facetten an dieser für mich ausgefallenen Beschäftigung. Als ich Andreas und Sebastian frage, was sie für ein Gefühl auslöse, diese weidmännische Leidenschaft, meinen beide: Es ist nicht die Freude am Töten, es ist mehr die Freude am intensiven Naturerlebnis. Während dem Jagdlehrgang, meint Sebastian, habe ich sehr viel Wissen und Verständnis über und für die Natur erfahren, ich lernte das Spurenlesen, viel über Wildkrankheiten und über den Naturschutz und die Hege und Pflege. Manchmal ist es mir, als sei ich seither immer ein bisschen auf der Pirsch, sobald ich im Wald bin.

Für Andreas hat die Jagd auch etwas sehr Meditatives: Stundenlang streiche ich alleine und still durch den Wald und die Gedanken gehen in alle Richtungen. Und wenn plötzlich eine Gämse auftaucht und ein lauter Schuss die Stille durchdringt, spüre ich tiefste Emotionen.

Das Weitersteigen durch den steilen Grat zum Horn hinauf ringt uns einige Schweisstropfen ab, und der Blick schweift links und rechts über den Grat. Es ist ein unheimlich spannender und abwechslungsreicher Aufstieg. Und erst der Moment auf dem Gipfel: Das Nidwaldner Fähndli schwingt im Wind und im Hintergrund steht schon das nächste Ziel, der Pilatus, stolz mit einem Nebelring gekrönt.

Doch vorher erwartet uns am Sonntag der zweite Teil unserer Etappe. Vom "Chabisstei" zum Alpnachersee. Heute begleitete uns wieder Hans, mein Vater. Ja, derselbe Hans, der rüstige Achtziger, von dem ich in der Etappe sechs erzählt habe. Die Tropfen prasseln auf den Regenschirm und der Waldduft dringt in unsere Nasen. Ich mag es sehr, bei Regen im Wald zu sein. Der grosse Pilz am Wegesrand riecht stark nach Nuss und schon knackt es im Gebüsch. Wir sehen noch husch den Spiegel des Rehs hinter dem Grün verschwinden. Ich erinnre mich wieder an die Diskussion von gestern über die Jagd und die Jagdgefühle. Und ich erinnere mich auch an die Diskussionen, die wir an der letzten Tagung der regierungsamtlichen Kommission für Wald, Wildtiere und Landschaft geführt haben. Die Volksinitiative zur Abschaffung der Jagd ist im Kanton Zürich eingereicht.

Es ist eine sehr kontrovers geführte Diskussion. Immer wieder stehen die moralischen Fragen im Raum. Der Jäger töte gedankenlos und aus egoistischen Gründen. Eckhard Fuhr hat es meiner Meinung in treffenden Worten beschrieben: "Über die moralische Frage des Tötens habe ich mir nie grosse Gedanken gemacht, was nicht heisst, dass ich gedankenlos töte. Ich merke jedoch, dass philosophische Prinzipien und Argumente den Erfahrungsraum der Jagd gar nicht erreichen oder berühren. Es ist ohnehin klar, dass ich nicht auf biomechanische Automaten schiesse, sondern auf Lebewesen, zu denen der Mensch in den Jahrtausenden seiner Kulturgeschichte eine innige Beziehung entwickelt hat, zu der auch das Töten gehört. Ich leite mein Recht zum Töten von Tieren auch nicht aus der Überlegenheit des Menschen ab, sondern aus dieser langen Tradition und seiner Nähe zu ihnen."

Die Debatte um die Jagd wird immer weniger von Sachlichkeit geführt. Es ist, als habe man von beiden Seiten dichtgemacht. Ich bin der Meinung, zur Weiterentwicklung der Jagd braucht es Argumente von beiden Seiten und vor allem brauchen wir engagierte Jägerinnen und Jäger.

Es ist Montagabend geworden. Der Sprung in den See. Zug um Zug komme ich dem andern Ufer auf der Lopperseite näher, und es kühlen sich meine leicht erhitzten Gedanken ab. Ich trockne mich, meine Arme sind müde, und ich beende diese doch sehr spezielle Tour und lächle dem Stanserhorn zu.