Etappe 13: Gummenalp - Stanserhorn


Treffpunkt und Zeit: 8.15 Uhr im Restaurant Gummenalp

Route: Gummenalp-Schellenflue-Arvigrat-Ächerli-Chlihorn-Stanserhorn

Höhenmeter: 1200 aufwärts, 900 abwärts
Distanz: 11 km
Marschzeit: 5 Std
Schwierigkeit: T3 

 

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Frisch ist die Luft, und die Klänge der Kuhglocken dringen durchs offene Fenster ins Zimmer. Das reichhaltige, feine Frühstück gibt uns den nötigen Boden, um auf die "Horntour" zu starten. Unser Ziel: das kleine und das grosse Stanserhorn.

Dieses Ziel ist schon gestern Thema gewesen, und zwar nach dem Nachtessen bei einem Schwatz vor dem Restaurant Waldegg, als wir die Bauernfamilie Chlais und Bernadette getroffen haben. Die beiden bewirtschaften die steil abfallenden Planken des "Chley Horn". Der Chlais gibt uns noch gute Ratschläge und präzisiert die Grenzen entlang dem Horn.

Der Ruf beim Verabschieden: "Viel Glück und immer schön der Grenze nach" klingt uns auch heute Morgen noch nach. Doch zuerst müssen wir wieder den Ausstiegsort der gestrigen Etappe anpeilen. Wir erreichen ihn in der Senke zwischen dem Gräfimattstand und dem Arvi. Nochmals werden die Schuhe geschnürt, der erste Durst gelöscht und los geht’s über den herrlichen Grat zum Arvi. Der territorialen Abgrenzung zwischen Obwalden und Nidwalden zu folgen, ist nicht schwierig. Der Grat zieht eine klare Linie. Wenn die Trennlinie auf der Karte auch deutlich sein mag, für unseren Blick gelten diese Grenzen nicht. Die Augen schweifen von Ob- nach Nidwalden und zurück und nehmen auf: diese herrliche Weite.

Erst im Abstieg durch den Arviwald ist es nicht mehr die Fernsicht, die fasziniert, sondern die knorrigen Föhren und die kerzengerade in den Himmel wachsenden Fichten. In der stetig steigenden Sommerwärme verströmen sie einen angenehmen Duft. So macht Wandern Spass, und auch Primus, den die Höhenangst plagt, hüpft beschwingt über die widerspenstigen Wurzeln und Steine.

Beim Ächerli trennen sich die Wege von Primus, Margrit und dem Rest der Gruppe. Markus, Bernadette, Andreas und ich marschieren schnurstracks der Grenze entlang zum Holzwangkappeli, von wo kein Weg mehr die Grenze zeichnet. Nun heisst es querfeldein, der Weg ist sehr steil und auf Obwaldnerseite fallen die Felsen senkrecht in die Tiefe. Der Durst plagt und die steigende Temperatur lässt uns schwitzen und schwer atmen.

Aber es lohnt sich. Als wir aus dem dichten, struppigen Wald aussteigen, zeigt sich uns der "Chley Horn Grat". Fantastisch! Fast majestätisch steht unverrückbar der Grenzstein auf dem höchsten Punkt des Horns. Ich lege mich ins Gras. 360° Aussicht, die Grillen zirben, vom grossen Horn erklingen die Alphornklänge, nur die fliegenden Ameisen vergönnen einem den vollendeten Genuss. Während ich raste, erinnere ich mich an eine E-Mail von Carljörg. Er hat den Zeitungsartikel über unsere Grenzwanderung gelesen und mir dann die folgenden Worte geschrieben:

Wenn Du jetzt auf der Kantonsgrenze wanderst, dann führt dein Weg im Gebiet des Stanserhorns vom «Chli Horn» 1787 müM direkt zum Punkt 1864 «Adlerflue».
Auf der Dufour-Karte von 1864 geht aber die Grenze vom «Kl. Horn» zum Kulminationspunkt des Stanserhorns auf 1900 müM.
Auch auf der Landeskarte von 1893 führt die Kantonsgrenze über den Gipfel des Stanserhorns.
Auf der Karte ab 1904 erscheint plötzlich der heutige Grenzverlauf. Nidwalden wird plötzlich 20’000 m2 grösser.
Im Staatsarchiv Nidwalden sind dazu keine Akten auffindbar. Auch bei der Landestopografie hat man dazu keine Erklärung.

Freuen wir uns über den unkomplizierten Gebietszuwachs.

Ja gegen diesen Gebietszuwachs ist bestimmt nichts einzuwenden. Doch habe ich mich schon bei einigen Etappen gefragt, wie wohl diese Grenzen festgelegt worden sind. Wie kommt es, dass sich diese gestrichelte Linie genau dort durchzieht, wo sie heute auf der Karte zu finden ist? Sind diese Linien an einem Pult im Büro entstanden oder gar zwischen zwei Bauern auf dem Feld? Oder haben sich da die Staatsherren höchstpersönlich auf's Feld begeben?
Wahrscheinlich sind die Grenzen im Gebirge durch Nutzungs- und Weiderechte entstanden und wahrscheinlich hat auch da und dort die Hohe Regierung sich mit den Grenzen auseinandergesetzt, so wie auch der eine und andere Bauer.

Diese Gedanken nehme ich mit auf den Weg. Denn die aufziehenden Wolken lassen uns diffig aufbrechen. Wir entscheiden uns, die genaue Grenze zu verlassen, zu steil und ausgesetzt erscheint uns der Abstieg über den Grat zur Chrinne bei einem Gewitter.

Knapp erreichen wir das Huserli und schon prasseln dicke Tropfen vom Himmel, rund um ums kegelt es grollend und der Blitz lässt die Landschaft hell erleuchten. Wir sind froh um den Schutz des Hüttlis. Dem einen und anderen Wanderer bietet das Dach noch Schutz und plötzlich erscheint ein lachendes Gesicht, der Chlais von gestern Abend, der das Chley Horn bewirtschaftet, meint schelmisch: "Da sind iehr aber grad ä chley vu de Gränze abcho…"

Ja, wenn wir wissen, wie unkompliziert wir 1904 zu Land gekommen sind, dann dürfen wir für ein kurzes Moment den Obwaldnern einen Zipfel für unseren Umweg gönnen.

Auf welche Weise jedoch die Nidwaldner Landmarke entstanden ist, das nimmt mich doch noch wunder. Und wer weiss, vielleicht führe ich meine Grenzerfahrung während diesem Winter im Staatsarchiv weiter.